Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG): Bitte den Datenschutz nicht vergessen!

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist ein deutsches Bundesgesetz, das die Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen umsetzt. Das BFSG tritt am 28. Juni 2025 in Kraft und soll sicherstellen, dass Produkte und Dienstleistungen für alle Menschen zugänglich und nutzbar sind. Das Gesetz selber wurde bereits am 15. Juni 2022 verabschiedet. Es umfasst eine breite Palette von Anforderungen, welche die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von digitalen sowie physischen Produkten und Dienstleistungen gewährleisten sollen.

Zweck des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)

Der Zweck des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes besteht gemäß § 1 Abs. (1) BFSG darin, im Interesse der Verbraucher und Nutzer die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen zu gewährleisten. Dadurch soll Menschen mit Behinderungen ihr Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gestärkt werden. Gleichzeitig trägt das Gesetz zur Harmonisierung des Binnenmarktes bei.
 
Verbraucher ist im Sinne des Gesetzes (§ 2 Nr. 16 BFSG) jede natürliche Person, die ein unter dieses Gesetz fallendes Produkt oder eine unter dieses Gesetz fallende Dienstleistung zu Zwecken kauft oder empfängt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.
 
Das Gesetz definiert im § 2 Nr. 1 den Begriff „Menschen mit Behinderung“ wie folgt: Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft behindern können. Langfristig bedeutet hierbei einen Zeitraum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert.

Anwendungsbereich des BFSG

Die nachfolgenden Abschnitte geben einen grundlegenden Überblick über den konkreten Anwendungsbereich des Gesetzes. Die genauen Details werden im § 1 Abs. (2) und Abs. (3) BFSG genannt:

Digitale Produkte

Folgende digitale Produkten die nach dem 28. Juni 2025 in den Verkehr gebracht werden müssen gemäß § 1 Abs. (2) BFSG barrierefrei sein:
  • Software und Betriebssysteme
  • Selbstbedienungsterminals
    Dazu gehören Zahlungsautomaten, Geldautomaten, Fahrausweisautomaten, Check-in-Automaten und andere interaktive Terminals.
  • Verbraucherendgeräte
    Geräte wie E-Book-Lesegeräte, die für Telekommunikationsdienste oder den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten verwendet werden.

Dienstleistungen

Folgende Dienstleistungen die für Verbraucher nach dem 28. Juni 2025 erbracht werden werden müssen gemäß § 1 Abs. (3) BFSG barrierefrei sein:
  • Online-Handel
    Webseiten und Apps, die für den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen genutzt werden.
  • Telekommunikationsdienste
    Dienste, die für Verbraucher erbracht werden, müssen ebenfalls barrierefrei sein.
  • Personenbeförderungsdienste
    Dazu gehören elektronische Tickets und Ticketdienste sowie interaktive Selbstbedienungsterminals für den Personenverkehr.
Diese Anforderungen sollen sicherstellen, dass alle digitalen Produkte und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen, Einschränkungen und ältere Menschen zugänglich und nutzbar sind.

Ausnahmen vom Anwendunsbereich

Dieses Gesetz gilt nicht für den folgenden Inhalt von Webseiten und mobilen Anwendungen:
  • aufgezeichnete zeitbasierte Medien, die vor dem 28. Juni 2025 veröffentlicht wurden
  • Dateiformate von Büro-Anwendungen, die vor dem 28. Juni 2025 veröffentlicht wurden
  • Online-Karten und Kartendienste, sofern bei Karten für Navigationszwecke wesentliche Informationen barrierefrei zugänglich in digitaler Form bereitgestellt werden
  • Inhalte von Dritten, die von dem betreffenden Wirtschaftsakteur weder finanziert noch entwickelt werden noch dessen Kontrolle unterliegen
  • Inhalte von Webseiten und mobilen Anwendungen, die als Archive gelten, da ihre Inhalte nach dem 28. Juni 2025 weder aktualisiert noch überarbeitet werden.

Pflichten der Wirtschaftsakteure

Hersteller, Einführer und Händler von betroffenen Produkten und Dienstleistungen müssen sicherstellen, dass diese barrierefrei sind. Dazu gehört die Bereitstellung von Alternativtexten für Bilder, Untertiteln für Videos sowie die Zugänglichkeit für Screenreader. Darüber hinaus müssen alle interaktiven Elemente, wie Formulare und Navigationsmenüs, barrierefrei gestaltet und bedienbar sein.
 
Ebenfalls wichtig sind klare Anweisungen und Hilfestellungen, um die Nutzung der Produkte und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen zu erleichtern. Dabei sollten die einschlägigen Normen und Richtlinien, wie die WCAG (Web Content Accessibility Guidelines), berücksichtigt werden.

Marktüberwachung

Die Bundesländer sind für die Marktüberwachung zuständig und werden dabei von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) unterstützt. Verbraucher können bei der zuständigen Landesbehörde Maßnahmen gegen Verstöße beantragen.

Bußgelder

Wer nach dem 28. Juni 2025 ein vom Anwendungsbereich des BFSG umfasstes Produkt in den Verkehr bringt welches nicht barrierefrei ist oder eine vom Anwendungsbereich des BFSG umfasste Dienstleistung erbringt welche nicht barrierefrei ist, gegen den kann gemäß § 37 BFSG ein Bußgeld bis zu einer Höhe von 100.000,-- € verhängt werden.

Ausnahmen für Kleinstunternehmen

Kleinstunternehmen sind von den Regelungen ausgenommen, sofern sie weniger als 10 Beschäftigte und einen Jahresumsatz oder Jahresbilanzsumme von unter 2 Millionen Euro haben. Dienstleistungen, die nur für Unternehmen angeboten werden (B2B) oder die eine unverhältnismäßige Belastung darstellen, sind ebenfalls ausgenommen.

Barrierefreie Websites und Apps: Bitte den Datenschutz nicht vergessen!

Die Gestaltung von barrierefreien Websites und Apps ist mit einem hohen Aufwand verbunden. Da das Gesetz zur barrierefreien Informationstechnik am 28. Juni 2025 in Kraft tritt, besteht bei vielen Projekten ein erheblicher Zeitdruck, der sich negativ auf die Projektdurchführung auswirken kann.
Zu den Themenfeldern bei der Gestaltung von barrierefreien Websites und Apps gehören beispielsweise Kontrast und Lesbarkeit, Textgröße und -skalierbarkeit, Hinzufügen von beschreibenden Texten zu Bildern (damit Screenreader die Inhalte für blinde Benutzer wiedergeben können), klare und konsistente Navigation, Verwendung von ARIA-Labeln und Rollen zur Verbesserung der Zugänglichkeit von interaktiven Elementen (ARIA-Label, auch bekannt als Accessible Rich Internet Applications (ARIA), sind spezielle Attribute, die zu HTML-Elementen hinzugefügt werden, um die Zugänglichkeit von Webinhalten zu verbessern. Sie sind besonders nützlich für Menschen, die Screenreader oder andere assistive Technologien verwenden), Verwendung einer leicht verständlichen Sprache („Leichte Sprache“), um die Inhalte für alle Benutzer zugänglich zu machen, Bereitstellung von Untertiteln für Videos und Transkripten für Audioinhalte, Benutzertests (Durchführen von Tests mit Menschen mit Behinderungen, um sicherzustellen, dass die Website tatsächlich barrierefrei ist), automatisierte Tests (Nutzung von Tools zur automatisierten Überprüfung der Barrierefreiheit) und kontinuierliche Verbesserung (regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung der Website, um die Barrierefreiheit zu gewährleisten).

Datenschutzexpertise als integraler Bestandteil des barrierefreien Designs

Die Implementierung dieser Maßnahmen ist in der Regel zeitaufwendig und komplex und erfordert spezielles Fachwissen aus verschiedenen Bereichen. Die dafür benötigten Experten haben zumeist eher geringe Kenntnisse im Bereich des Datenschutzes (speziell der DS-GVO).
 
Deshalb ist es sehr wichtig, in das Projektteam einen Datenschutzexperten einzubinden, der sicherstellt, dass die rechtskonforme Erfüllung der Datenschutz-Anforderungen ein integraler Bestandteil des barrierefreien Designs ist. Hierbei geht es neben den Anforderungen der Informationssicherheit (z. B. Schutz vor unbefugtem Zugriff und Datenverlust) auch um die Wahrung der Nutzerrechte (z. B. Auskunft, Berichtigung und Löschung ihrer personenbezogenen Daten).